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KI-Research-Perspektiven: Modell zum Erleben der Interaktion mit KI und Praxistest ChatGPT & Midjourney Veranstaltungsbericht zum Regionalabend Berlin-Brandenburg am 4. Juli 2023

Rund 60 Fachbesucher und Interessierte folgten am 4. Juli 2023 der Einladung zur Präsenz-Veranstaltung der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg in das Atrium des Quadriga Forums, um das das hochaktuelle Thema „KI in der Marktforschung“ aus unterschiedlichen Perspektiven zu verfolgen.

Das AI Experience Modell - wie Menschen die Interaktionen mit KI erleben

Dr. Julia Nitschke, die das eye square AIX Lab leitet, stellte zunächst die Ergebnisse der Grundlagenstudie „Wie Menschen die Interaktion mit KI erleben“ vor. Im Rahmen von Tiefeninterviews wurden hier verschiedene menschliche Reaktionsmuster herausgearbeitet.

Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass das Erleben von Interaktionen mit KI zunächst vor allem von einer diffusen Unsicherheit geprägt ist. Viele Menschen sind sich unsicher darüber, was eigentlich genau KI ist, und vermuten möglicherweise bereits mehr Berührungspunkte damit gehabt zu haben, als sie realisiert haben. Das Erleben ist von einer Vielzahl von Konflikten und Emotionen geprägt, darunter Angst oder Widerstand, aber auch Neugierde und Begeisterung.

Das daraus entwickelte AI Experience Modell wurde anschließend vorgestellt. Es beschreibt vier Modi, die das menschliche Erleben der Interaktion mit KI kennzeichnen: Turmoil, Paralyse, Hyper Strength und Integration. Diese Modi unterscheiden sich durch den Grad der Aktivierung (Arousal) und die Strukturiertheit des Erlebens und gehen jeweils mit spezifischen Emotionen und Konflikten einher. Das Wissen darum kann sehr hilfreich sein, um KI-Anwendungen erfolgreich zu gestalten.

Als nächstes ist geplant, eine Operationalisierung des Modells zu entwickeln, um das Erleben der Interaktion zu unterschiedlichsten KI-Anwendungsfeldern einfach skaliert erheben und interpretieren zu können. Zusätzlich wurde auf das AI Experience Whitepaper  (Wie erleben die Verbraucher die Interaktion mit künstlicher Intelligenz? (2023)) verwiesen, in dem die präsentierten Ergebnisse und das Modell ausführlicher dargestellt sind.

Im Anschluss präsentierte eye square CEO Michael Schießl das vorher vorgestellte AI Experience Modell und das zugrunde liegende neurosemiotische Modell in einer visionären Augmented Reality Umgebung – mit Bild und Ton anschaulich und ansprechend über alle Sinne hinweg.

KI im Realitätscheck – Praktischer Einsatz der neuen KI-Generation

Der Vortrag von Andreas Woppmann, Inhaber der advise research GmbH, behandelte den konkreten Einsatz von ChatGPT in der Marktforschung. Das Unternehmen, ein klassisches Full-Service Marktforschungsinstitut, hat verschiedene Ansätze zur Analyse von offenen Fragen entwickelt und stellt die praktische Umsetzung vor.

In den letzten Jahren wurden v. a. im Bereich der Textanalyse Algorithmen und KI-Modelle vermehrt eingesetzt, um die Geschwindigkeit und Effizienz bei der Codierung von offenen Nennungen zu erhöhen. Seit der Einführung der großen Sprachmodelle wie ChatGPT Ende des letzten Jahres hat sich die Entwicklung der KI dramatisch beschleunigt. So kann die Qualität der Analyse erheblich verbessert und komplexe Daten schneller verarbeitet werden.

Andreas Woppmann stellte ein Projektbeispiel wurde vor, bei dem Daten selbst erhoben und mithilfe von ChatGPT analysiert wurden. Die Ergebnisse wurden visualisiert und mit quantitativen Codes verknüpft, um eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Auswertung zu ermöglichen. Gerade diese Kombination führe seiner Meinung nach zu einem inhaltlichen Mehrwert für die Auftraggeber von Markt- und Meinungsforschungsuntersuchungen. Und ermöglichen eine nennenswerte Zeitersparnis.

Ergänzend wurden Herausforderungen und derzeit noch bestehende „Baustellen“ diskutiert, darunter die Begrenzung der Anzahl an Nennungen, Datenschutzaspekte, das Fehlen mathematischer/statistischer Berechnungen sowie die Notwendigkeit, Fake-Studien zu erkennen und zu vermeiden. Es wurde deutlich, dass die Implementierung von KI in die Prozesse der Stakeholder noch erfolgen müsse und dass Transparenz und Vertrauen in der Arbeit mit KI wichtige Faktoren seien.

Der Ausblick betonte die mögliche Standardisierung von Prozessen und die Integration von KI-Tools wie ChatGPT, um eine kontinuierliche Analyse und Zusammenfassung von Daten zu ermöglichen. Wichtig sei, dass trotz des Einsatzes von KI weiterhin qualifizierte Mitarbeiter benötigt würden, um den Überblick zu behalten und den Kontext zu verstehen.

Diskussion: Erfahrungsaustausch zu Potentialen und Herausforderungen von KI

In der anschließenden Diskussion sprachen die anwesenden Marktforschungsexperten über verschiedene Aspekte des Einsatzes von ChatGPT in der Marktforschung. Es wurde festgestellt, dass die Ergebnisse bei wiederholter Verwendung von ChatGPT mit dem gleichen Prompt nicht genau gleich, aber inhaltlich ähnlich seien. Die Qualität der Ergebnisse würde verbessert, wenn mehrere Codierer involviert seien. Strukturierte Daten seien gut geeignet, während die Analyse von Transkripten und freiem Text derzeit noch Schwierigkeiten bereiten könne.

Die Teilnehmer/innen der Diskussion äußerten ihre Erfahrungen und Bedenken. Einerseits unterstütze ChatGPT einzelne Prozesse, gleichzeitig wurde betont, dass die Ergebnisse kritisch hinterfragt werden müssten. Weiterhin seien nicht alle Mitarbeitenden von der Integration von ChatGPT in die bestehenden Arbeitsabläufe überzeugt. Diskutiert wurde auch das Thema Datensicherheit. Dabei wurde festgestellt, dass keine personenbezogenen Daten eingegeben und die Daten in der Regel in tabellarischer Form über Schnittstellen integriert würden. Die Diskussionsteilnehmer tauschten ergänzend ihre Erfahrungen in Bezug auf die Qualität von Transkripten aus. Dabei wurde festgestellt, dass ChatGPT bei der Transkription von Videos hilfreich sein könne, jedoch ein Sprecherwechsel nicht immer korrekt erkannt würde. Die Zusammenfassung von Transkripten wurde als herausfordernd angesehen und einige Teilnehmer bevorzugten es, Protokolle bzw. Transkripte selbst zu erstellen, weil insbesondere der Schritt vom Text zu den Insights gut funktioniere.

Insgesamt wurde deutlich, dass der Einsatz von ChatGPT in der Marktforschung Potenzial bietet, aber auch die kritische Reflexion und der Einsatz von qualifiziertem Personal weiterhin wichtig sind. Die Integration von KI-Tools wie ChatGPT in die Arbeitsabläufe und die proaktive Berücksichtigung von Datenschutzfragen werden die Branche in den nächsten Monaten sicherlich beschäftigen.

Im Anschluss ließen viele Gäste den Abend bei einem ansprechenden Catering und viel persönlichen Austausch ausklingen.

Matthias Wenzel und Sindy Krambeer
Regionalleitung Berlin-Brandenburg